Im Fokus

Analog entwickelt, digital serviert

«Let’s shoot Analog» und «Développe derrière» heissen zwei junge Fotolabore, die in Safenwil und Bern analoge Farbfilme entwickeln. Für die Dienstleistung, die bei vielen Fotogeschäften zum Randprodukt wurde, setzen die zwei kleinen Firmen auf neue technische und organisatorische Ansätze.

Das Atelier Derrière befindet sich in einem Hinterhof im Berner Monbijou-Quartier. Parkierte Autos versperren den Eingang. Wer die richtige Lücke erwischt, trifft auf Anice Grossenbacher, Franca Wenk und Raffaela Sansoni. Die drei Frauen – eine Grafikerin, eine Fotografin, eine Schmuckdesignerin – haben dort vor Kurzem das «Développe derrière», kurz «Déde» eingerichtet. Sie entwickeln Farb-Negativ-Filme, scannen sie und stellen die Bilder ihren Kundinnen digital bereit. Wie genau, dazu später mehr.

Analoge Fotografie für eine junge Generation

Zunächst aber ein Zoom-Anruf nach Safenwil. Hier gründeten die beiden Filmschaffenden Biby Jacob und Sven Uhlmann vor gut einem Jahr das Fotolabor «Let’s shoot Analog». Biby hat als Kind analog fotografiert, an der Uni jedoch zwischenzeitlich damit aufgehört. «Die analoge Fotografie ist einfach unglaublich teuer», fand sie. Dann begann sie, zusammen mit Sven, ihre Filme selbst zu entwickeln. Diese Dienstleistung boten die beiden bald auch Bekannten an. Nun betreiben sie sie als kleines Labor.

Ihre Mission sehen Biby und Sven darin, die analoge Fotografie einer jungen Generation zugänglich zu machen. Sie stellen einen Boom des Analogen bei den jungen Fotografen fest, und wollen diesen weiter fördern. Das Entwickeln-Lassen der Filme soll einfach sein, die digitalen Kanäle einbeziehen und dennoch die Kreativität fördern.

Bilder als Download

«Unser Ziel ist vor allem, dass junge Leute die Chance haben, analog zu fotografieren», sagt Sven. Denn die analoge Fotografie sei eine ganz andere Erfahrung. «Du erhältst gute Bilder, ohne viel Bearbeitung. Und du gibst dir viel mehr Mühe, wenn du nur 36 Fotos machen kannst».

Die beiden wollen indes das Beste aus beiden Welten anbieten. Der Bestellauftrag erfolgt über das Internet. Die Bezahlung via Paypal. Und die Negative werden nach der Entwicklung gescannt und in hoher Auflösung zum Download bereitgestellt. Die Zeiten von CDs mit 2-Megapixel-Bildern als Beilage zu den Abzügen sind vorbei.

[supportmid]

Entwicklungsmaschine übernommen

Beim «Développe derrière» habe ich unterdessen den zu entwickelnden Film aus der Tasche geholt. Es ist ein alter Kodak-Farbfilm, den mein Vater beim Aufräumen seines Pults fand, und den ich nun belichtet habe. Anice Grossenbacher füllt das Formular aus. Adresse, E-Mail, Telefon. Scannen ja. Negative schneiden nein. Dann kommt mein Film in ein Couvert.

Entwickelt werden im «Déde» lediglich Negativfilme im standardisierten Farb-Prozess C41. Die Maschine läuft rund zweimal pro Woche. Die Scans sollte ich innerhalb einiger Tage per Wetransfer erhalten.

Auch Anice spricht die CD klassischer Labors an. «Dabei haben wir gar keine CD-Laufwerke mehr in unseren Laptops». Und auch sie beobachtet einen Trend zur analogen Fotografie. Allerdings gebe es kaum noch Orte, an denen man die Filme entwickeln lassen könne.

Entstanden sei das «Déde», weil die drei Frauen in ihrem Atelier etwas Gemeinsames realisieren wollten, das Spass macht. Und weil Franca Wenk vom Fotogeschäft, in dem sie die Lehre gemacht hat, eine Entwicklungsmaschine übernehmen konnte. Das kopierer-grosse Gerät arbeitet nun im Keller des Ateliers.

Anice Grossenbacher bei der Entwicklungsmaschine im «Développe derrière».

Flexibel dank dem Filmomat

Während die Maschine im «Déde» die Filme durch die verschiedenen Bäder zieht, setzten Biby und Sven auf ein Gerät namens Filmomat – eine Erfindung aus Deutschland. Der Filmomat arbeitet eher wie die Entwicklerin im heimischen Schwarzweiss-Labor. Die Filme werden auf eine Spule transferiert und in einen lichtdichten Tank gegeben. Der Filmomat pumpt anschliessend automatisch die Chemikalien rein und wieder raus. Pro Durchgang können bei diesem Rotationsprozess bis zu vier Kleinbild-Filme gleichzeitig entwickelt werden.

Dank diesem Verfahren sind Biby Jacob und Sven Uhlmann sehr flexibel. Sie können Filme kürzer oder länger entwickeln als im Standardprozess. Sie können aber auch verschiedene Entwicklungsprozess anbieten: Neben Farb-Negativ-Filmen (C41) entwickeln sie Motion-Filme (ECN-2), Farb-Dias (E6), und Schwarz-Weiss-Filme.

«Reich werden wir nicht»

«Die Chemie mischen wir für jeden Durchgang neu an», erklärt Biby Jacob. Dadurch sei einerseits die Qualität garantiert. Andererseits kommt nur genau so viel Chemie zum Einsatz, wie gerade benötigt wird. Das mache den Prozess umweltfreundlicher.

Allerdings: Das Verfahren benötigt trotz Automation mehr Handarbeit und ist entsprechend zeitintensiv. «Reich werden wir damit sicher nicht», sagt Sven Uhlmann. Wirtschaftliches Arbeiten sei jedoch möglich. Wie der Bestellprozess soll auch das Preismodell einfach sein: Die Entwicklung kostet pro Film 10 Franken (ausser ECN-2), Sonderwünsche inbegriffen. Das Scannen schlägt mit weiteren 10 Franken zu Buche.

Herzensprojekte

Im «Déde» kostet die Entwicklung 8 Franken pro Film, ebenso das Scannen. Bei mehreren Filmen gibt’s Mengenrabat. Anice, Franca und Raffaela sind sich bewusst, dass sie damit nicht die grosse Goldgrube gefunden haben. Das Ganze sei aber, trotz den günstigen Preisen tragbar. «Wir wollen mit den Einnahmen vor allem unser Atelier unterstützen», sagt Anice.

Sowohl bei «Let’s shoot Analog» als auch bei «Développe derrière» ist schnell klar: Hier sind Leute am Werk, denen das Analoge am Herzen liegt. Im Vordergrund steht nicht der Profit, sondern das analoge Bild und die Möglichkeit, diese Technik weiterhin vernünftig zu pflegen. Falls die Rechnung aufgeht, ist das eine tolle Entwicklung.

[supportend]

2 Kommentare zu “Analog entwickelt, digital serviert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert