Im Fokus

Ein Blick über den Bühnenrand hinaus

Seitenblick auf die Hauptbühne: Die Truckfighters aus Schweden beim Greenfield Festival 2015. Photos: © Tilman Jentzsch

Der Konzertfotograf Tilman Jentzsch legt seinen Fokus auf skandinavische Bands. Oft wirft er dabei einen Blick hinter die Kulissen. «Ich möchte auch darstellen, was um die Konzerte herum läuft», sagt er im Interview mit 42mm.ch und verrät, was es mit seinem Jahresprojekt mit The Two Romans auf sich hat.

Angefangen zu fotografieren hat Tilman Jentzsch bei der Schülerzeitung. Damals noch auf Film und in der Dunkelkammer, hatte er Ende der 1980er Jahre ausser einer befreundeten Band hauptsächlich Sportler vor der Linse. Mit Studium und Auslandaufenthalten habe sich die Fotografie dann etwas verlaufen, erinnert er sich: „Erst als ich in die Schweiz gekommen bin und im Arbeitsleben drin war, habe ich mir wieder eine Digitalkamera gekauft.“ Heute wirkt der hauptberufliche Produkt Manager als leidenschaftlicher Konzertfotograf in der Region Bern.

Tilman Jentzsch, Du fotografierst primär skandinavische Bands bei ihren Auftritten in der Schweiz. Wie ist es dazu gekommen?

Das hat sich über meine Beziehungen zu Skandinavien ergeben. Ich lebte fast zehn Jahre in Finnland und habe eine Bekannte, die in Schweden die Fotoagentur Rockfoto betreibt. Wir hatten uns so arrangiert, dass ich für sie die meisten skandinavischen Bands in der Schweiz fotografieren konnte. Gleichzeitig fotografierte ich am Anfang viel für usgang.ch, zum Beispiel an den Schwedischen Nächten im Berner ISC. So habe ich relativ schnell eine Nische gehabt.

Du bist also über diese Agenturen in die Konzertfotografie eingestiegen?

Ja. Mich kannte ja damals noch niemand, also konnte ich mich nicht selbst irgendwo akkreditieren lassen. Ich habe zwar die Bilder für die Agenturen gemacht, aber im Endeffekt konnte ich sie natürlich auch für mein eigenes Portfolio benutzen.

Wie läuft es heute?

Mittlerweile mache ich mehr von mir aus. Im Grossraum Bern kennt man sich, die Gruppe aktiver Konzertfotografen ist nicht gross. Und weil ich keinen grossen Wert auf die grossen Ereignisse lege – ich muss nicht unbedingt ins Hallenstadion – arbeite ich in meiner Nische mit den Skandinavischen Bands, in der mich unterdessen auch die meisten Veranstalter kennen. Gleichzeitig versuche ich, noch mehr lokale Bands kennen zu lernen. Auch wenn das nicht unbedingt lukrativ ist, möchte ich mich da etablieren.

Der Konzertfotograf Tilman Jentzsch im Einsatz.

Ist die Fotografie ein Hobby für dich, oder lohnt sich das auch?

Ich würde mich nicht als professionellen Fotografen bezeichnen, aber es ist schon mehr als ein Hobby. Davon leben kann man aber nicht. Längerfristig möchte ich vielleicht Mal beim Tagesjob auf 80 Prozent runtergehen und 20 Prozent mit der Fotografie abdecken.

Du bist im Moment an einem Jahresprojekt mit The Two Romans. Um was geht es da?

Die Two Romans, eine Band aus Thun, haben in diesem Jahr beim Waldbühne-Wettbewerb gewonnen und können damit im Sommer am Gurtenfestival auftreten. Meine Idee war, eine der Bands vom Wettbewerb an zu begleiten. Wie bereiten sie sich auf das Festival vor? Was machen sie nebenher? Aber auch: Was passiert nach dem Gurten? Mein Ziel ist, nach diesem Jahr ein Fotobuch zu haben. Und vielleicht werde ich mich dann auch für die Photo17 bewerben.

Bei diesem Projekt, aber auch wenn man sich andere Fotos von dir ansieht, blickst du viel hinter die Kulissen. Inwieweit ist das dein Konzept?

Bei den meisten Konzerten hast du ja die Herausforderung, dass du nur die ersten drei Lieder fotografieren darfst. Ich versuche das damit einerseits aufzubrechen. Andererseits möchte ich auch möglichst alles darstellen: Die Konzertbilder und die Emotionen am Konzert selbst. Aber auch, was noch alles um das Konzert herum läuft.

Ist es dieser Blick hinter die Bühne, der dich an der Konzertfotografie reizt?

Schon auch. Ich suche immer ein bisschen eine Herausforderung. Den Hintergrund darstellen, die Atmosphäre, vielleicht auch die Anspannung der Band bei den Vorbereitungen. Das versuche ich rüberzubringen.

Wie nehmen das die Bands auf, wenn du Backstage Bilder machst?

Es braucht natürlich eine gewisse Zeit, bis du das Vertrauen der Bands hast. Vom Management, aber auch von den Musikern selbst. Dann musst du auch wissen, wie du dich bewegen musst und was du machen kannst. Und ich sage den Bands auch: Wenn ihr das Gefühl habt, ich störe, sagt es. Ich will nicht im Weg stehen. Ich war zum Beispiel mit den Truckfighters letztes Jahr am Greenfield. Ich kannte sie zwar, aber das war das erste Mal, dass ich näher mit ihnen arbeitete. Da war ich dann schon eher vorsichtig, und habe sie nach einigen Fotos vor dem Auftritt noch einmal in Ruhe gelassen.

Wie gehst du vor, wenn du eine Band fotografieren möchtest?

Manchmal hilft es, einfach mal eine Band zu kontaktieren und sich vorzustellen, seine Idee zu präsentieren. Viele Bands sind recht offen. Insbesondere auch, wenn sie sehen, was man schon gemacht hat. Bei den skandinavischen Bands habe ich den Vorteil, dass ich Schwedisch spreche, teilweise kann ich auch übersetzen, wenn an einem Konzert irgendwas ist. Aber auch für lokale Bands gilt: einfach anfragen. Mit Truckfighters war es auch so: Ich hatte sie bereits einmal fotografiert und habe dann gesehen, dass sie ans Greenfield kommen. Da habe ich sie einfach mal kontaktiert und gezeigt, was ich machen würde. Da kam fast sofort die Antwort: super, sind wir dabei. Aber das andere gibt es natürlich auch: Ich habe vor kurzem zwei Absagen erhalten. Damit muss man umgehen können. Vielleicht ergibt sich ein anderes Mal etwas.

Was macht aus deiner Sicht gute Konzertfotos aus?

Es sind sicherlich nicht immer die Bilder aus dem Bühnengraben. Bist du im Bühnengraben, hast du die Fans im Rücken. Im ISC hingegen bist du zum Beispiel mittendrin. Da kann ich mehr Emotionen vermitteln und auch das Publikum miteinbeziehen. Und so kann ich mich von andern unterscheiden und eben noch einen anderen Blickwinkel einnehmen. Von daher mein Vorsatz: über das Normale hinausgehen, Unterscheidungsmerkmale haben.

Du arbeitest viel in Schwarzweiss und mit harten Kontrasten. Passt du dich da der Musik an?

Eigentlich schon. Das ist einerseits bewusst, aber manchmal auch lichtbedingt, da man oft recht starke Lichtgegensätze hat, starkes Rot- und Blaulicht. Ich fotografiere sowieso immer im RAW-Format und entscheide dann beim Aussortieren. Ich lege mich nicht im vornherein fest, ob die Bilder später schwarzweiss oder farbig werden sollen.

Muss man selbst Musiker sein, um Konzertbilder zu machen?

Überhaupt nicht. Ich habe nie Musik gespielt, Musik war für mich in der Schule ein Horror.

Welche Band möchtest du unbedingt Mal vor der Linse haben?

Da gibt’s einige. Sicherlich noch ein paar schwedische Bands. Ich hätte gern was mit Johnossi gemacht, was jetzt leider nicht geht. Mando Diao habe ich auf der Bucket-Liste, ein paar amerikanische Bands oder auch Rihanna. Aber es ist auch gut zu träumen. Florence and the Machine war eine Band, die ich unbedingt mal fotografieren wollte. Dieser Wunsch ist vor Kurzem in Erfüllung gegangen.

Tilman Jentzschs Website: www.blickwechselfotografie.ch

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