Im Fokus

Die grosse Foto-Show

Dabei sein ist alles: Werbebanner der Photo Schweiz 2020.

An der Photo Schweiz sind vom Freitag, 10. bis am Dienstag, 14. Januar Arbeiten von über 300 Schweizer Fotograf*innen zu sehen. Der gross inszenierte Anlass lässt eine repräsentative Auswahl des Schweizer Fotoschaffens vermuten. Diese Annahme trügt.

Rund 30’000 Besucher*innen erwarten die Veranstalter der Photo Schweiz 2020. Und sie versprechen ihnen eine geballte Ladung Fotografie: Über 300 Fotografinnen und Fotografen, 18 Sonderausstellungen, 120 Seminare und Workshops, Vorträge, Produktpräsentationen und die Wahl des «Fotografen des Jahres».

Die Organisatorin der Photo Schweiz – die Zürcher Blofeld Entertainment AG mit den Produzenten Michel Pernet und Peter Kurath – präsentiert den Anlass als «grösste und wichtigste Werkschau für Fotografie der Schweiz». Doch was verbirgt sich hinter den Zahlen? Wie werden die Ausstellenden ausgewählt? Und wer bestimmt die Fotografen des Jahres?

«Talente entdecken und fördern»

Beginnen wir bei der regulären Werkschau. Für diese konnten sich interessierte Fotografierende mit aktuellen Arbeiten bewerben. 214 Ausstellende präsentieren hier in diesem Jahr ihre Arbeiten. Wie viele Bewerbungen eingegangen sind, geben die Organisatoren nicht bekannt.

Die Entscheidung, welche Bewerberinnen und Bewerber zur Ausstellung zugelassen werden, liegt in den Händen eines Kurator*innen-Teams. Als Lead-Kurator amtet in diesem Jahr der Zürcher Fotograf Daniel Bolliger, selbst bereits mehrmals Aussteller an der Photo Schweiz. Er wird unterstützt von den Co-Kurator*innen Cara Anne Specker und Joshua Amissah.

«Wir sammeln die Bewerbungen in einem Tool, in dem wir alle Informationen, Links und Bilder beisammen haben. Darin können wir unabhängig voneinander die einzelnen Bewerber bewerten, unsere Meinungen abgleichen und ab und zu auch über gewisse Entscheide diskutieren», beschreibt Bolliger den Auswahlprozess.

Zu den qualitativen Kriterien sagt er nichts. Aber: «Wir wollen unbedingt junge frische Talente entdecken und fördern, daher spielen Namen bei der Bewerbung keine grosse Rolle – alles, was zählt, ist die Arbeit.»

450 Franken pro Aussteller*in

Fördern heisst in diesem Fall zunächst einmal zur Kasse bitten. 390 Franken beträgt die Teilnahmegebühr, nachdem bereits 60 Franken bei der Bewerbung fällig wurden. Für die Veranstalter kommen so insgesamt mindestens 90’000 Franken zusammen.

Für 450 Franken erhalten die Teilnehmenden eine Ausstellungsfläche auf einem Sagex-Kubus – wahlweise 4 auf 1 Meter, wenn der Kubus abgelegt und 0.5 Meter hoch ist, oder 4 auf 0.5 Meter in der aufgestellten Variante. Auf diesem Kubus dürfen sie liegende Einzelbilder präsentieren. Ausser Visitenkarten ist kein Werbematerial erlaubt.

Ein Zürcher Anlass

Wie gut ist mit diesem Auswahlverfahren die Schweizer Fotoszene an der Werkschau vertreten? Ein Blick auf die Ausstellerliste zeigt: Die Photo Schweiz ist vor allem ein Zürcher Anlass. 92 der 214 Ausstellenden – rund 43 Prozent – stammen aus dem Kanton. Danach folgen die Kantone Aargau mit 17 und Bern mit 14 Vertreter*innen.

Zum Vergleich: Auf der vom Verband der Schweizer Berufsfotografen und Filmgestalter (SBF) publizierte Fotografenliste sind rund 18 Prozent der aufgeführten Mitglieder aus dem Kanton Zürich.

Besser sieht es beim Frauenanteil aus. Fast 30 Prozent der Ausstellenden an der Photo Schweiz sind Fotografinnen. Die Liste des SBF weisst im Vergleich einen Fotografinnen-Anteil von rund 25 Prozent auf.

Die 18 Sonderausstellungen

Wirklich grosse Namen fehlen auf der Ausstellerliste der regulären Werkschau. Einige etabliertere Arbeiten präsentiert die Photo Schweiz in den 18 Sonderausstellungen. Als Highlights nennen die Organisatoren die erstmals in der Schweiz gezeigte Dokumentation «Agent Orange» des Schweizer Fotografen Roland Schmid, der in den letzten 20 Jahren die Folgen des Vietnamkriegs vor Ort dokumentiert.

Zu sehen sind weiter das neue Fotoprojekt «Survivors» von Braschler/Fischer mit Porträts von Menschen, die Opfer von Terroranschlägen waren. Und die Reportage von Tomas Wüthrich, der das Volk der Penan im Regenwald von Borneo besuchte und den Kampf um den Erhalt des Lebensraums dokumentierte.

Fotograf des Jahres und Lifetime Award

Glanz soll dem Anlass die Wahl des Fotografen des Jahres verleihen. Gewählt wird dieser – oder möglicherweise auch eine Fotografin – von der «Swiss Photo Academy». Ein Gremium, dem gemäss Photo-Schweiz-Website rund 1000 Personen angehören, darunter alle, die einmal am Anlass ausgestellt haben sowie «wichtige Sammler, Galeristen, Journalisten, Bildredaktoren, Art Buyer, mediale Leitstimmen und renommierte Persönlichkeiten der kulturellen Schweiz.»

Auf der Website heisst es: «Die Swiss Photo Academy hat sich zum Ziel gesetzt, die Schweizer Fotobranche unter einem Dach zu vereinen und allen Fotografen und Branchenmitgliedern eine starke Marke mit internationaler Strahlkraft zur Verfügung zu stellen.»

Nominiert für die Auszeichnung sind 2020 Philippe Dudouit, Mirjam Kluka, Christian Lutz, Augustin Rebetez, Jean-Vincent Simonet.

Eine Fachjury unter dem Vorsitz von Res Strehle, Präsident der Journalisten Schule MAZ und langjähriger Tages-Anzeiger-Chefredaktor, zeichnet ausserdem eine*n Fotograf*in für ihr Lebenswerk mit dem Lifetime Award aus.

Hoffen auf Perlen und Glanz

Fazit: Wer an die Photo Schweiz fährt, um eine repräsentativen Überblick über die Schweizer Fotoszene zu gewinnen, wird enttäuscht. Die Auswahl setzt sich in erster Linie aus den Arbeiten jener Fotograf*innen zusammen, die bereit sind, die Teilnahmegebühr zu zahlen um ihre Arbeit auf zwei Kubikmetern Sagex zu sehen.

Unter den 214 Werken der regulären Werkschau befinden sich auch dieses Jahr sicherlich wieder Perlen. Alle andern dürfen sich immerhin rühmen, bei der grossen Inszenierung dabei gewesen zu sein. Und hoffen, dass vom Glanz der Sonderausstellungen und Preise ein Schimmer auf das eigene Portfolio fällt.

Photo Schweiz 2020, Freitag, 10. bis Dienstag, 14. Januar, Halle 622 und Stage One, Zürich Oerlikon

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