In «How like a leaf I am» beschäftigt sich Alexandra Baumgartner mit den Verstrickungen von menschlichem und pflanzlichem Leben. Sie fragt nach der kollektiven Verantwortung für den rasanten Zerfall von Ökosystemen. Dabei konzentriere sie sich auf die Agrobiodiversität und Strategien zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt.
Das Bild «Quince and yellow tomatoes» ist im ersten Jahr der Arbeit an «How like a leaf I am» entstanden. «Es war bereits Herbst und der kleine, etwas kümmerliche Quittenbaum im Hof trug unglaublich viele Früchte», erinnert sich die Fotografin. Im Garten sammelte sie die letzten gelben Tomaten und legte die Früchte zu den Quitten auf den Balkon. Eingeschlossen unter einer dicken Schicht Kunstharz, haben die beiden kleinen Tomaten und die Quitte ihren Weg in Baumgartners Archiv gefunden.
Konserviert auf dem höchsten Punkt ihrer Reife, seien die Früchte doch nur ein schwacher Abglanz ihrer einstigen Präsenz. «Die Artefakte sind ein Produkt meiner Überlegungen zu Konservierungsstrategien für pflanzengenetische Ressourcen. Was bleibt eigentlich und was geht verloren, wenn wir pflanzengenetisches Material zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt aufbewahren?»
Die pflanzliche Materie reagierte mit dem Kunstharz, löste sich stellenweise auf und bildete eine Vielzahl feiner Unregelmässigkeiten. Alexandra Baumgartner schreibt dazu: «Der Prozess war für mich ein Sinnbild dafür, dass der Wunsch Kulturpflanzen in ihrer unveränderten Gesamtheit festzuhalten irreführend ist. Jede Sorte verkörpert viele vergangene Zyklen des Experimentierens, der Anpassung und der Beziehungen zu Mensch und Umgebung. Kulturpflanzenvielfalt entsteht durch Kultivierung. Die Erhaltung von Saatgut sollte demnach auch landwirtschaftliche Praxis miteinbeziehen.»
Die Realität sei hingegen einseitiger, stellt die Künstlerin fest: «Pflanzengenetische Ressourcen bleiben oftmals in den Händen komplexer institutioneller Gebilde, die wissenschaftliches Fachwissen aufrechterhalten und den Zugang zu Saatgutgütern erschweren. Während die wertvollen Früchte, das vielfältige Gemüse und Getreide aus dem Garten Eden unter niedrigen Temperaturen in grossen Tresoren vor den heutigen Krisenereignissen sicher aufbewahrt werden, ist auf unseren Feldern immer weniger Agrobiodiversität zu finden.»
Etwa 75 % aller landwirtschaftlichen Kulturpflanzen und Sorten sind in den letzten hundert Jahren verschwunden. Heute decken nur noch rund 30 Nutzpflanzen 95 % des menschlichen Nahrungsbedarfs. «Auf der Suche nach egalitären und dynamischen Ansätzen in der Saatguterhaltung, habe ich in den letzten Jahren mehrere Community Seed Banks und landwirtschaftliche Initiativen besucht, die Formen des kollektiven Handelns in den Vordergrund setzen», so Alexandra Baumgartner weiter.
«Das Aussähen ist ein Akt der Imagination und stellt einen Anspruch an eine laufende oder zukünftige Beziehung. Wenn wir erkennen, dass diese winzigen Zeitkapseln einen grossen Einfluss darauf haben, wie wir in der Gegenwart die Welt von morgen formen, können wir womöglich eine bessere Beziehung, zu dem was wir gemeinhin als «Natur» begreifen, entwickeln.»
«How like a leaf I am» ist eines von zwölf ausgewählten Projekten, das im Rahmen des Prix Photoforum noch bis am 4. April im Photoforum Pasquart zu sehen ist.
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