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Eine Basis für die Street Photography

Das Swiss Street Collective will die Street Photography in der Schweiz stärken. Die momentan 16 Fotograf*innen sind seit November auf Instagram und mit einer eigenen Website aktiv. 42mm.ch fragte Mitgründer Bastian Peter wie das Kollektiv entstanden ist, was die Absichten sind und wie er selbst in der Strasse fotografiert.

© Bastian Peter

Bastian Peter, auf dem Instagram-Kanal @swissstreetcollective teilt ihr täglich Bilder von Strassenfotografinnen. Ist das Swiss Street Collective in erster Linie ein Instagram-Projekt?

Nein, unser Ausgangspunkt ist die Website. Aber Instagram ist eine gute Plattform, um Gleichgesinnte zu finden. Wir haben einander ursprünglich über Instagram kennengelernt. Da lag es auf der Hand, dass es die erste Plattform ist, die wir nutzen. Wir sind aber nicht darauf beschränkt. Wir teilen auch Beiträge auf Facebook und Twitter und vor allem arbeiten wir momentan an Ideen und am Blog auf der Website. Das ist alles noch ganz am Anfang.

Auf der Website schreibt ihr, ihr wollt die Street Photography in der Schweiz promoten und sie als Kunstform etablieren. Was macht ihr, um dieses Ziel zu erreichen?

Je nachdem wo oder wie wir fotografieren, spüren wir, dass die Leute diese Art der Fotografie noch nicht verstehen.

Es scheint natürlich als hohes Ziel, etwas als Kunstform etablieren zu wollen. Aber simpel gesagt, ist es das, was uns beim Fotografieren auf der Strasse durch den Kopf geht: Je nachdem wo oder wie wir fotografieren, spüren wir, dass die Leute diese Art der Fotografie noch nicht verstehen. Sie schauen einem schräg an, wenn man zum Beispiel mit der Kamera an kleine Details rangeht. Vor allem aber, auch wenn Passanten denken, dass man sie fotografiert. Die meisten von uns verspüren den Wunsch, dass mehr Leute über die Strassenfotografie Bescheid wissen.

Gleichzeitig soll das Kollektiv eine Basis sein, auf der man sich austauschen kann. Viele Mitglieder würden gerne Fotowalks machen, sich austauschen, miteinander Projekte durchführen oder miteinander ausstellen. Wir haben keinen Fünfjahres-Plan, aber schon viele Ideen.

Ihr betreibt auch einen Blog…

Ja. Wir haben jede Woche einen Beitrag, etwa ein Interview mit jemandem. Es kann auch ein Bericht sein über ein Thema, oder ein Gedanke zu etwas. Eigentlich sind dem keine Grenzen gesetzt.

Warum macht ihr alles in Englisch?

Wir haben einzelne Blogbeiträge auf Deutsch. Und wir spielen mit dem Gedanken, dass französischsprachige Mitglieder französisch schreiben könnten. Es ist eigentlich offen. Englisch ist aber die Sprache des Internets und ein guter Startpunkt, sich zu verknüpfen. Ohne Englisch hätten wir nicht diese Gruppe, die wir haben: Wir haben Leute, die nur französisch sprechen, andere die nur englisch können. Abgesehen davon: Das Wort Strassenfotografie ist kaum verbreitet. Und wenn du internationale Sachen machst, ist das alles auch auf Englisch.

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Du bist Mitgründer des Kollektivs. Warum machst du mit?

Die Idee entstand Ende 2019, Anfang 2020. Mit ein paar Freunden diskutierte ich, dass es cool wäre, zusammen auszustellen. Wir tauschten uns über Erfahrungen aus. Und dann merkten wir, dass wir eine Art kollektive Vorstellung davon haben, wie die Street Photography aufgenommen wird. Wie gesagt, gibt es immer Leute, die nicht verstehen, was das soll. Die Faszination, die wir teilen, sollte irgendwo dokumentiert sein und eine Informationsquelle für andere werden. Und dann ist es einfach auch gut zu wissen, wieviele Leute es gibt, die diese Faszination teilen.

Was ist denn Street Photography? Wie würdest du das beschreiben?

Das ist ein viel diskutiertes Thema. Es gibt Fotografen, die finden, Strassenfotografie müsse immer schwarzweiss sein. Dann gibt es Fragen wie: Muss sie etwas zur Dokumentation beitragen? Oder darf sie einfach nur eine Geschichte erzählen? Muss sie einen Witz drin haben? Muss sie skurrile, bizarre Szenen beinhalten? Es gibt ganz verschiedene Meinungen. Einige beharren darauf, andere lassen es völlig frei. Der gemeinsame Konsens ist aber, dass Street Photography – wenn nicht anders deklariert – ungestellt ist und dass sie im öffentlichen Raum kreiert wird. Da sind aus meiner Sicht dann alle Möglichkeiten offen. Und das ist das Schöne. Jeder kann Street Photography machen. Niemand muss irgendwelche Regeln befolgen, weil es die nicht gibt und auch nicht geben soll.

© Bastian Peter

Wenn du selbst auf der Strasse fotografierst, wie erlebst du das?

Es gibt zwei Bereiche für mich: Die eine Seite ist, wie ich mich fühle, wenn ich im Prozess des Fotografierens bin. Die andere Seite, wie ich mich fühle im Bewusstsein, dass Leute mich sehen und es vielleicht nicht verstehen. Wenn ich mich nur auf das konzentrieren kann, was ich mache, wird es gut. Wenn ich mich aber daruf fokussiere, was ausserhalb meiner Fotografie passiert, dann kann mich das ablenken oder auch verunsichern.

Du meinst, wenn man durch die Stadt geht, und das Gefühl hat, alle fragen sich, was der mit seiner Kamera macht, dann hört man vielleicht lieber auf…

Es trägt nicht gerade dazu bei, dass man sich wohl fühlt. Die Leute sprechen einen teilweise auch an. Ich habe noch nie ein richtig negatives Feedback erhalten. Glücklicherweise sind viele Menschen aber auch interessiert und fragen nach, was wiederum motivierend wirken kann.

Wie gehst du damit um?

Ich glaube, wenn du dich verbündest mit andern, die das Gleiche machen und das Gleiche erleben, dann kann dich das stärken, so dass du dich mehr auf deine Arbeit, dein Hobby konzentrieren kannst. Statt dass du dich darum kümmerst, was um dich herum abgeht, und wer das toll findet oder nicht. Je mehr wir das unter uns als normal anschauen, desto mehr hilft es uns, das herauszutragen. Ich bin unterdessen viel ruhiger.

Informierst du die Leute, die du fotografiert hast?

Manchmal. Oft gibt es dazu aber keinen Grund. Einige fragen mich, für was ich das mache – was ja ihr Recht ist. Wenn jemand fragt, erkläre ich’s, habe eine Visitenkarte oder zeige Postkarten. Wenn jemand nicht möchte, dass ich ein Bild ins Internet stelle, dann respektiere ich das. Des Weiteren würde ich keine Bilder veröffentlichen, die Leute in kompromittierenden Situationen zeigen. Die Personen auf meinen Bildern sollen entweder neutral oder erfreut sein, nicht negativ. Und ich glaube, es ist auch so, dass wenn du dich einfach treiben lässt, dann ziehts dich auch nicht an Orte, an denen du unerwünscht bist.

© Bastian Peter

Wie gehst du vor beim Fotografieren?

Ich habe meine Kamera immer dabei. Ich trage sie meistens um den Hals. Ich fotografiere, sobald ich denke, etwas ist es Wert, festgehalten zu werden. Das können ganz verschiedene Sachen sein. Es ist oft so, dass ich irgendwo hin muss und meine Kamera sowieso dabei habe. Wenn ich jedoch bewusst zum Fotografieren raus gehe, zum Beispiel am Freitagabend in die Stadt um das Nachtleben aufzusaugen, dann stelle ich mich irgendwo hin, noch ohne zu fotografieren, sondern einfach um zu sehen wo es mich hinzieht. Dann ist es ein anderes Bewusstsein als im normalen Alltag. Der ganze Prozess ist dann viel konzentrierter.

Wie hast du angefangen?

Meine Eltern fotografieren beide seit ich denken kann. Ich hatte auch als Kind eine kleine Kamera gehabt. Irgendwann habe ich angefangen auf dem Arbeitsweg mit dem Handy zu fotografieren. Dann habe ich mir eine kleine und verhältnismässig günstige Sony-Kamera gekauft. Mit der fotografiere ich immer noch. Das hat sich also einfach so entwickelt, es war nicht ein Entscheid. Die ersten paar Fotos habe ich privat Freunden im Internet gezeigt. Und dann erst bin ich auf den Ausdruck ‘Street photography’ gestossen. Da habe ich gemerkt, dass das eine total lebendige internationale Community ist.

Was ist das Ziel deiner Fotografie?

Es geht um Storytelling und Atmosphäre. Wenn ich Fotos sehe und denke, diesen Film würde ich schauen, wenn mich die Atmosphäre hineinzieht in das Bild, dann ist es ein Erfolg.

Das ist schwierig zu erklären. Ich bin ein Kino-Fan, ein Film-Fan. Und es hat eigentlich der gleiche Grund, wie beim Fotografieren: Ich habe Freude daran, einen guten Film zu sehen. Einerseits das Visuelle, andererseits die Geschichte, die durch die Bilder erzählt wird – egal ob im bewegten Bild oder im Foto. Wenn die Geschichte auf eine gute Art erzählt wird, dann interessiert sie mich. Es geht um Storytelling und Atmosphäre. Wenn ich Fotos sehe und denke, diesen Film würde ich schauen, wenn mich die Atmosphäre hineinzieht in das Bild, dann ist es ein Erfolg. Das kann ganz viele Gründe haben… Wahrscheinlich macht mich das ein bisschen zum Nicht-Dokumentar-Fotografen. Ich probiere zu fotografieren, was mich visuell anzieht. Wie sich das entwickeln wird, kann ich nicht sagen, ich versuche dabei frei zu bleiben.

Zurück zum Swiss Street Collective: Kann man sich euch einfach anschliessen oder gibt es bestimmte Kriterien?

Wir haben uns am Anfang zu fünft zusammengetan. Dann kamen die ersten Anfragen, ob wir neue Mitglieder aufnehmen. Wir haben jene aufgenommen, von denen wir annahmen, dass sie es ernsthaft machen, und sich einbringen. Jetzt sind wir 16 Fotografirende. Nun diskutieren wir, wie wir es in Zukunft handhaben wollen. Wir möchten einen Weg finden, der unbürokratisch, demokratisch und unelitär ist.


Bastian Peter, Strassenfotograf aus Basel.

Über Bastian Peter

Bastian Peter ist Strassenfotograf aus Basel. Hauptberuflich arbeitet er als Larvenmacher (Masken). Storytelling in vielen Formen, vor allem in der Fotografie und im Kino bezeichnet er als seine Leidenschaft. So nahm er im Frühjahr 2019 eine Kamera in die Hand und begann, durch die Strassen zu ziehen, auf der Suche nach interessanten Szenerien.

Anfang 2020 hat er, zusammen mit Gleichgesinnten, das Swiss Street Collective gegründet. Dessen Ziel ist es, die Strassenfotografie als Kunstform zu etablieren und ihre Protagonisten zu fördern.

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3 Kommentare zu “Eine Basis für die Street Photography

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