180 Jahre ist es her, seit in Paris das erste fotografische Verfahren präsentiert wurde. Bereits ein Jahr später nutzten in der Schweiz erste Pioniere die Technik. Maler, Optiker und Tüftler erstellten bald überall im Land Portraits und Stadtaufnahmen. Ein Blick auf die ersten Jahrzehnte der Fotografie in der Schweiz.
Der 7. Januar 1839 gilt als Geburtstag der Fotografie. An diesem Tag wurde ein erstes fotografisches Verfahren – die Daguerreotypie des französischen Malers und Erfinder Louis Jacques Mandé Daguerre – der französischen Akademie der Wissenschaften vorgeführt. Nachdem die Daguerreotypie im August danach der breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde, ging es nicht lange, bis in der Schweiz die ersten Pioniere die Technik anwendeten.
Der Daguerreotypist aus St. Gallen
Der erste Schweizer, der in Paris eine Originalkamera bestellte, war der St. Galler Maler und Lithograf Johann Baptist Isenring. Bereits zum Jahreswechsel 1839/1840 stellte Isenring zehn selbst erstellte Daguerreotypien mit Ansichten aus St. Gallen und Umgebung aus. 1840 veranstaltete er eine grössere Ausstellung mit über sechzig Bildern, grösstenteils Portraits. Anschliessend zeigte Isenring seine Lichtbilder in München, Augsburg und Stuttgart.
In München richtete er ein Atelier für Heliographie ein. Gleichzeitig entwickelte er ein Kolorierverfahren für Daguerreotypien. Das Patent dieser Erfindung verkaufte er an einen englischen Chemiker. Mit dem Erlös liess er sich einen Dunkelkammerwagen fertigen, den er „Sonnenwagen“ nannte. So war er bis 1849 als Wanderfotograf in der Schweiz und Süddeutschland unterwegs.
Ein Berner als unabhängiger Erfinder
Isenring war einer der ersten Schweizer Fotografen, aber nicht lange der einzige. In der Westschweiz berichtet die Zeitung Nouvelliste Vaudois am 12. November 1840 vom ersten fotografischen Experiment. Und schon 1836 will der Berner Andreas-Friedrich Gerber ein Verfahren entwickelt haben, das Aufnahmen durch ein „Sonnenmikroskop“ ermöglichte, wie er später behauptete.
Erst 1989 allerdings wurden an der Universität Bern ein Bericht Gerbers über Chlorsilberaufnahmen von 1840 sowie verschiedene Stadtansichten von Bern gefunden. Gerber gilt heute als einer der unabhängigen Erfinder eines fotografischen Verfahrens.
Wanderfotografen und Ateliers
Da das Verfahren Daguerres von der französischen Regierung gekauft und gemeinfrei gemacht wurde, konnte es von jedermann praktiziert werden und verbreitete sich rasch. Auf Jahrmärkten porträtierten bald Wanderfotografen ihre Kundschaft. Und sie gaben das Wissen über das Verfahren auch weiter. So war Ende 1844 über den reisenden Daguerreotypisten Louis Lamouche in den Berner Tageszeitungen zu lesen, dass dieser bereit sei, jedermann innerhalb von zehn Tagen das Daguerreotypieren beizubringen.
Carl Durheim eröffnete an der Kramgasse als erster sesshafter Fotograf in Bern ein Atelier. In Basel begann der Optiker Emil Wick als einer der ersten die Gesellschaft der Stadt zu portraitieren. Als eine der ersten Daguerreotypistinnen fotografierte Franziska Möllinger in den 1840er Jahren Landschaften und Städte im Raum Solothurn und Bern.
Ein gefährliches Verfahren
Obwohl mit der Daguerreotypie scharfe und tonwertreiche Bilder erstellt werden konnten, hatte das Verfahren Nachteile: Es war kompliziert, teuer und gefährlich. Zudem liesen sich von diesen Lichtbildern keine Kopien erstellen. Andere Verfahren setzten sich daher rasch durch. Noch im selben Jahr, in welchem Daguerre seine Technik in Paris präsentierte, stellte Henry Fox Talbot in England sein Negativ-Positiv-System vor.
Während bei der Daguerreotypie das Bild auf einer versilberten Kupferplatte als positive Abbildung aufgenommen wurde, entstand bei der Talbotypie (auch Kalotypie genannt) zunächst ein Papiernegativ. Dieses wurde mit Wachs transparent gemacht und konnte so auf ein anderes lichtempfindliches Papier übertragen werden. Dadurch war die Erstellung einer beliebigen Anzahl von Positiv-Bildern möglich.
Beim um 1850 von verschiedenen Personen entwickelten Kollodiumnassplatten-Verfahren, wurde die lichtempfindliche Schicht dann auf Glasplatten aufgetragen. Später wurden auch Trockenplatten möglich, während in den 1880er Jahren die ersten biegsamen Rollfilme auf den Markt kamen.
Die Nachfrage nach Portraits
Mit den neuen Verfahren wurde die Fotografie zunehmend einfacher und beliebter. Was aber wurde in den ersten Jahrzenten der Fotografie abgebildet? Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt zunächst einmal Stadtansichten, vor allem aber Portraits.
In „Photographie in der Schweiz: Von 1840 bis heute“ schreibt Jörg Huber zur Portraitfotografie: „Mit dem Bürgerturm, das sich im 19. Jahrhundert als die gesellschaftliche Klasse durchsetzte, stellte sich die Kundschaft ein, die mit ihrem Bedürfnis nach Selbstdarstellung die notwendige Nachfrage und damit die notwendige ökonomische Basis für die Entwicklung der Photographie lieferte.“
Requisiten und Kulissen
In den ersten Jahren der Porträtfotografie begab sich der Fotograf zur Kundschaft. Die Wanderfotografen porträtierten die Menschen meist losgelöst von ihrem Alltag – etwa vor einem Tuch – wo sie in Sonntagskleidern posierten.
Ateliers tauchten zunächst in grösseren Städten, später auch in Dörfern auf. Das Volkswirtschafts-Lexicon von 1889 zählt rund 200 Geschäfte mit etwa 600 Angestellten. Die besseren Ateliers waren ausgestattet mit Requisiten, Kostümen, Schminkutensilien und Kulissen. Sie konnten so ihre Kunden wunschgemäss inszenieren.
Landschaft, Alpen, Tourismus
Doch auch die Landschaft und die Alpen wurden bald von den Fotografen entdeckt. Die ersten Bilder der Bergwelt entstanden wohl mit wissenschaftlicher Zielsetzung, etwa zur systematischen Typologie der Gletscher.
Der zunehmende Tourismus wirkte sich auch auf die Fotografie aus. So existierte zum Beispiel in Genf zu Beginn der 1880er Jahre ein Atelier, das sich auf Ansichten der Schweiz und der Alpen spezialisiert hatte.
Wandel um die Jahrhundertwende
Gegend Ende des 19. Jahrhunderts, fast 60 Jahre nach den ersten Daguerreotypien steuerte die Fotografie auf einen Wandel zu: „Die grossen Photoateliers wenden sich zunehmend dem Verlagsgeschäft zu, während die Photographen ihren Status und ihre Rolle innerhalb der Bildindustrie neu überdenken“, schreiben Daniel Giradin und Charles-Henri Favrod in „Photographie in der Schweiz: Von 1840 bis heute“.
Im zwanzigsten Jahrhundert wird die Fotografie die Menschen auf vielfältige Weise porträtieren. Fotojournalismus, Reise- und Naturfotografie kommen auf. Und die Kunst arbeitet immer stärker mit dem Medium.
Mehr über die Geschichte der Fotografie in der Schweiz gibts zum Beispiel in den Büchern „Photographie in der Schweiz: Von 1840 bis heute“ (Benteli, Bern 1992) oder „Carl Durheim: wie die Fotografie nach Bern kam“ (Burgerbibliothek Bern, 2016). Die beiden Bücher waren wichtige Grundlagen für diesen Artikel.
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