Sumertime, Sorrento, © Mattia Coda
Im Fokus

«Macht Ferien!»

Wie halten es selbständige Fotografinnen und Fotografen mit Ferien: Baumelt die Kamera zu Hause, oder kommt sie in der freien Zeit erst recht kreativ zum Zug? Und wer giesst die Mailbox? 42mm.ch fragte drei Fotoschaffende nach ihren Rezepten und erhielt virtuelle Postkarten aus dem Maggia Tal, Sorrento und Apulien.

Wenn der Sand zwischen den Zehen kitzelt, die Tomaten nach Sonne riechen und abends die Gelati auf den Lungomare tropfen, dann sind wir endlich wieder in Italien. Bevor es allerdings mit dem Zug südwärts geht, die Vorüberlegungen: Wieviel Ferien können sich selbständige Fotografierende überhaupt leisten?

Ferien fix im Kalender

Die erfreuliche Antwort kommt von Cornelius Fischer: «Grundsätzlich so viel man möchte.» Als Selbstständiger Fotograf bestimme man selbst wann, wie lange und wie oft. Fischer betreibt zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen ein Fotostudio in der Aargauer Altstadt. Er hat Aufträge von Firmen, macht aber auch Portraits, Familienshootings und ist als Hochzeitsfotograf unterwegs.

Fischer plant jeweils vier bis fünf Ferienblöcke pro Jahr ein. Diese Planung geschieht rund ein Jahr im Voraus. Da der Fotograf gerade durch die Sommermonate viele Hochzeiten begleitet, und diese oft acht bis zwölf Monate im Voraus gebucht werden, trägt er die Ferien fest in den Kalender ein. Die Zeitfenster sind im Kalender gesperrt, so dass in den Ferienblöcken keine Aufträge angenommen werden. «Hier muss man sehr strickt sein, da sonst Ferien immer wieder verschoben und am Schluss nicht eingeplant werden», hält der Fotograf fest.

Cornelius Fischer schickt ruhige und erholsame Grüsse aus dem Maggia Tal.

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«Ich versuche jeden einzelnen Auftrag zu erledigen»

Ein etwas anderes Rezept hat Jungfotograf Mattia Coda: «Fotografie ist nicht (nur) mein Job sondern mein Lebensstil. Das ist mein Motto. Somit bin ich immer in den Ferien.» Coda ist nach einem Praktikum beim Bieler Tagblatt momentan in der Ausbildung zum Pressefotografen am MAZ (Medienausbildungszentrum Luzern). Daneben jobbt er in einem Restaurant.

Die Fotoaufträge häufen sich, wie Mattia Coda sagt. «Ich versuche jeden einzelnen Auftrag zu erledigen, da ich mich in dem Bereich gerne 100% selbständig machen möchte, um später Reportagen im Ausland machen zu können.» Somit seien Ferien nur möglich, wenn sich neben Restaurant-Job und Studium kein Auftrag ergibt. Er komme aktuelle auf vier bis fünf Wochen pro Jahr.

In Sorrento ist das Lieblings-Sommer-Bild von Mattia Coda entstanden.

Das schöne Licht im Sommer Apuliens

Die Taschen sind gepackt, der Briefkastenschlüssel bei der Nachbarin deponiert. Bleibt die Frage, welche Kamera die Fotografin mitnimmt. Wenn überhaupt. Anita Vozza, die den Sommer meistens im südlichsten Zipfel Italiens verbringt, schreibt dazu: «In den Ferien habe ich nur meine Fuji X100V dabei. Ich fotografiere alles, was mich inspiriert, oft mein Umfeld. Es gibt für mich kein schöneres Licht als dasjenige im Sommer Apuliens.»

Vozza bezeichnet ihre Sommerferien als «wichtigste Zeit, um Energie zu tanken». Vor dem Coronajahr habe sie sich jeweils drei bis vier Wochen dafür genommen. «Seit Corona hat sich das geändert, nicht wegen der Auftragslage, sondern wegen der Coronasituation.»

Die Bieler Fotografin hat die Schwerpunkte Kunst, Editorial, Portrait und Reportage und doziert an mehreren Schulen. Die Ferienfotografie habe einen positiven Einfluss auf ihre Arbeit. «Da ich nichts muss und alles darf.» Das halte die Freude am Bilder machen aufrecht. Gleichzeitig habe sie so schöne Erinnerungen an tolle Momente mit der Familie und Freunden.

Anita Vozza entspannt meistens in Süditalien: «Es gibt für mich kein schöneres Licht als dasjenige im Sommer Apuliens.»

Kamera immer dabei vs. Knipsen mit dem iPhone

«Ob in den Ferien oder auf dem Weg zur Arbeit im Restaurant, ich habe immer meine Kamera dabei», berichtet Mattia Coda. Seine «persönliche» Fotografie ist die Streetphotography. «Somit ist es ein Muss, die Kamera ständig dabei zu haben!»

Egal ob auf dem Berner Bahnhofsplatz, den Mattia Coda schon tausend Male gesehen hat, oder in einer fremden Stadt: bei der Streetphotography müsse man sich auf die Situation einlassen können. Mattia Coda: «Man muss Interesse an den Menschen haben und bereit sein, mit ihnen zu sprechen, ihre Geschichten anzuhören. Da gehen Welten auf! Dies kann man in den Ferien sehr gut machen, besonders beim Reisen.»

Die Bilder aus diesen eigenen fotografischen Aktivitäten wirken sich sehr gut auf seine Arbeit auf, wie Coda sagt. Er publiziert die Fotos auf seiner Website und bei Instagram. Und es passiere immer wieder, dass er Prints davon verkaufe.

Kaum fotografisch aktiv ist in den Ferien Cornelius Fischer. «Je nach Feriendestination habe ich nicht mal eine Fotoausrüstung dabei», sagt er. Bei grösseren Reisen fotografiere er mit einer kompakten Ausrüstung kleine Reisereportagen für sich privat. «Primär knipse ich in den Ferien aber mit dem iPhone.» Das Fotografieren in den Ferien diene schlicht der privaten Erinnerung und sei ein kleiner Ausgleich zum Berufsalltag.

Erreichbar nur im Notfall?

Und wie halten es die drei mit der Erreichbarkeit? Cornelius Fischer, bei dem während seinen Ferien teilweise eine Mitarbeiterin im Studio weiterwirkt, antwortet: «Ich bin während der Ferien grundsätzlich nur per Mail erreichbar. Allerdings antworte ich nicht täglich, sondern nur alle zwei bis drei Tage, ausser es sind ganz dringende Anfragen dabei.»

Anita Vozza ist nur im Notfall erreichbar: «Mails werden nicht beantwortet, wer was Dringliches hat, kann mir eine Nachricht aufs Smartphone schicken.» Mattia Coda hingegen prüft seine Mails täglich und antwortet auch auf seinen Reisen so rasch wie möglich. «Als Selbständiger bin ich eine Dienstleistung, die keine fixe Arbeitszeiten und Öffnungszeiten hat», ist seine Devise.

«Sehr viel Arbeiten geht. Trotzdem sind Pausen ungemein wichtig.»

Die unterschiedlichen Ansätze zeigen einerseits individuelle Wege der Erholung und Inspiration. Und sie gehen mit dem gewählten fotografischen Feld einher. Der junge Strassenfotograf, der von der Reportage träumt, zieht anders durch die Welt, als die erfahrene Künstlerin oder der gestandene Dienstleister.

Sie lassen andererseits auch eine Gefahr erkennen. Nämlich dass junge Fotografierende voller Feuer für ihren Beruf sich gezwungen sehen, jede Gelegenheit wahr zu nehmen. So rät Anita Vozza frischgebackenen Selbständigen kurz und bündig: «Macht Ferien!».

Cornelius Fischer präzisiert: «Sehr viel Arbeiten geht, schlussendlich ist die Fotografie wohl für jeden Fotografen nicht nur Beruf sondern auch Berufung. Trotzdem sind Pausen in Form von Ferien zum Abschalten ungemein wichtig.» Deshalb empfiehlt Fischer Erholungszeiten und Ferienblöcke unbedingt fix im Kalender einzutragen. «Diese Termine müssen unumstösslich sein. Fängt man an, Ferien oder freie Wochenenden für Aufträge zu verschieben, hört es nicht mehr auf und am Schluss fehlen die Erholungsphasen komplett», so der Aargauer Fotograf.

Die Fotografie ist doch immer dabei

Unterdessen ist der Platz im EuroCity 51 Richtung Milano Centrale gefunden und der Koffer dort deponiert, wo er am wenigsten stört. Zeit, die Feriengrüsse der drei gefragten Fotoschaffenden anzuschauen.

Cornelius Fischer schickt ruhige und erholsame Grüsse aus dem Maggia Tal: «Trotz des Regens gabs viel Erholung mit kleinen Wanderungen, mehreren Büchern die ich gelesen habe und ‘nur’ 1.5 Tagen arbeiten am Laptop.»

Mattia Coda ist gerade aus Italien zurück: «Ich habe über tausend Bilder geschossen. Das wird mich wohl noch lange beschäftigen.» Er schickt sein Lieblingsbild aus Sorrento.

Anita Vozza besuchte das Fotofestival in Arles. «Ein fantastischer Ort für die persönliche Weiterbildung», wie sie sagt. Vozza grüsst mit einem Sommerfoto aus Apulien, auf das sie in diesem Jahr jedoch verzichten müsse: «Aber da ich an einem paradiesischen Ort lebe, werde ich mir zu Hause ein paar Ferientage gönnen», schreibt sie. «Und ja, auch da werde ich nicht erreichbar sein».

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