Wenn eigene Fotos ungefragt in der Zeitung oder auf fremden Websites erscheinen, hilft Ärger niemandem. Besser sind: freundliches Telefonat, Nachlizenzierung, faire Rechnung. Dann kann aus der Bilderdiebin von gestern, die Kundin von morgen werden. Vorgehen und Erfahrungen im Umgang mit dem Bilderklau.
Jan Geerk ist hauptsächlich Landschafts- und Städtefotograf. Seine Bilder erscheinen in Kalendern, auf Postkarten, in Werbebroschüren oder auf Tourismus-Websites. Das bekannteste Bild des Basler Fotografen stammt hingegen aus einem Box-Klub. Es zeigt den jungen Mann, der im «Fall Carlos» vor einigen Jahren durch die Medien bekannt wurde.
Wenn die Medien zugreifen
Jan Geerk hatte zuvor von einem Box-Klub den Auftrag erhalten, ein Training zu fotografieren. Der Box-Klub hat die Bilder wie vereinbart auf seiner Website publiziert, der Auftrag war abgeschlossen.
Als die Berichterstattung über den «Fall Carlos» begann, bediente sich als erstes ein Boulevardblatt auf der Website des Box-Klubs mit einem Bild. Ungefragt und ohne Lizenz. Fast alle Redaktionen des Landes verwendeten das Foto weiter.
«Es begann eine Abmahnwelle, wie ich sie noch nie erlebt hatte», schreibt Jan Geerk einige Jahre später in einem Facebook-Post. Als Urheber des Bildes kontaktierte er sämtliche Medienhäuser und verlangte eine Nachlizenzierung für das Bild. Bis heute hat er so mehrere 10’000 Franken eingenommen.
Die Sache mit dem Bilderklau ist für Geerk somit eine zweiseitige Medaille: «Einerseits regt mich die Gratis-Mentalität im Internet auf, andererseits verdiene ich auch Geld damit», sagt er. 42mm.ch wollte von Jan Geerk wissen, wie sein Vorgehen bei der Nachlizenzierung ist. Bevor Geerk Fotograf wurde, hat er Jura studiert. Ihm sei es ein Anliegen, dass auch andere Fotografierende über das Thema Bescheid wüssten.
Geklaute Fotos aufspüren
Wo kein Kläger, da kein Richter. Das heisst im Fall des Bilderdiebstahls: Wer nicht entdeckt, dass seine Fotos benutzt wurden, kann dafür auch nichts verlangen. Also machen wir uns zunächst auf Spurensuche. In der gedruckten Welt mag manch eine unerlaubte Bildernutzung unentdeckt bleiben. Wenn nicht gerade der Zufall mitspielt, und man das eigene Foto im Ferienprospekt entdeckt, ist die Dunkelziffer hier relativ hoch.
Einfacher hingegen ist die gezielte Suche im Internet. Dafür bieten einerseits die Bildersuche von Google oder auch die Suchmaschine tineye.com die Möglichkeit, zurückzuverfolgen, wo ein Bild überall verwendet wird. Andererseits haben sich spezielle Anbieter wie Copytrack oder Plaghunter genau auf diesen Dienst spezialisiert. Fotografinnen können ihre Bilder hochladen. Sobald ein Foto genutzt wird, erhält der Urheber eine Benachrichtigung.
Risiken und Nutzen von Abmahn-Diensten
Dienste wie Copytrack können dann automatisch Rechnungen für Nachlizenzierungen auslösen.
«Solche Dienste können sich finanziell lohnen, wenn es viele Fälle von mutmasslichen Urheberrechtsverletzungen gibt», schreibt Rechtsanwalt Martin Steiger, der sich aufs Medienrecht spezialisiert hat.
Er hält aber auch fest: «Man gibt allerdings die Kontrolle ab und muss damit leben, dass die immer gleichen Standard-Schreiben nur dort funktionieren, wo sich die Abgemahnten nicht kompetent beraten lassen.» Das Geschäftsmodell von Copytrack und vergleichbaren Anbietern basiere in erster Linie darauf, Abgemahnte unter Druck zu setzen, und nicht auf detailliert ausgewiesenen Rechtsansprüchen.
Auch Jan Geerk kennt und nutzt die Suchdienste. Die Nachlizenzierung regelt er jedoch lieber selbst. So könnte es ja sein, dass ein gefundenes Bild im Rahmen einer gültigen Lizenz genutzt wird. Wenn Kunden dann eine zusätzliche Rechnung erhalten, macht das keine Freude. Und natürlich zweigen Dienste wie Copytrack eine Provision für sich ab.
Der Griff zum Telefon
Stellt ein Fotograf die Nutzung eines Bildes fest, sollte er zunächst unbedingt die Beweise sichern. Im Internet macht er einen Screenshot der fehlbaren Website. Von der Zeitung oder einer Broschüre hebt er ein Exemplar auf.
Dann kommt der Griff zum Telefonhörer. «Es hat sich bewährt, zunächst ganz freundlich Kontakt aufzunehmen», sagt Jan Geerk. Viele Bildnutzer seien einsichtig. Manch einer Fotografin dürften die gängigen Antworten bekannt vorkommen. «Das haben wir nicht gewusst», «Der Praktikant hat das Bild besorgt», «Wir löschen das Foto sofort».
Letzteres ist für Jan Geerk übrigens nicht nötig. «Sie müssen das Bild nicht löschen, denn Sie haben es ja bereits benutzt und können es mit der Nachlizenzierung auch weiterverwenden», erklärt er seinen neuen Kunden.
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Die Rechnung
Es folgt die Rechnung. Geerk beschreibt seine Strategie wie folgt: «Zeigten sich die Bildnutzerinnen am Telefon einsichtig und blieben freundlich , verlange ich für die Nachlizenzierung jenen Betrag, der das Bild bei einer regulären Anfrage kosten würde.» Bei uneinsichtigen Bilderdieben rechnet er hingegen einen Aufschlag und allenfalls Schadenersatz hinzu.
Der Fotograf hält sich dabei an die Preisempfehlung der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Bildagenturen und -Archive (SAB). Das sei insofern sinnvoll, als dass man mit dieser Liste eine Richtlinie in der Hand hält, sollte es tatsächlich einmal zu einem Gerichtsverfahren kommen. In der Liste sind einerseits die normalen Tarife aufgeführt, andererseits auch Richtwerte für die Aufschläge der Nachlizenzierung enthalten.
«Faire Preise werden eher bezahlt»
Von höheren und teilweise unrealistischen Forderungen rät Jan Geerk ab: «Faire Preise werden eher bezahlt». Er sei mit dem höflichen Vorgehen in vielen Fällen erfolgreich. Zuweilen habe er so bereits neue Kundinnen gewonnen und Folgeaufträge generiert.
Auch der auf Medienrecht spezialisierte Anwalt Martin Steiger empfiehlt eine Nachlizenzierung zu einem vernünftigen Preis. «Wer einen vernünftigen Preis anbietet, wird eher bezahlt werden und kann dadurch auf rechtliche Schritte verzichten.» Steiger nennt grundsätzlich das gleiche Vorgehen wie Jan Geerk: «Ein Fokus auf das finanzielle Gesamtergebnis hilft. Letztlich muss aber jeder Fall geprüft werden, auch in Abhängigkeit davon, wer die Gegenseite ist und in welchem Land sie sitzt.»
In der Tat: Eine Nachlizenzierung ist in der Schweiz und im europäischen Raum recht einfach durchzusetzen, während für Fotos, die bei chinesischen Servern landen, kaum Chancen bestehen.
Bleibt die Rechnung unbezahlt, folgt die Mahnung. Anschliessend kann die Betreibung eingeleitet werden. «Das ist in der Schweiz relativ einfach und für Firmen sehr unangenehm», sagt Jan Geerk. Erst wenn eine betriebene Bildnutzerin Rechtsvorschlag erhebt – das heisst, die Forderung nicht anerkennt – könnte sich der Fotograf damit an ein Gericht wenden. Was in der Praxis allerdings selten vorkomme.
Dem Bilderklau vorbeugen
Jan Geerk hat mit seiner Strategie gute Erfahrungen gemacht. Wer sich indes nicht mit dem Bilderklau auseinandersetzen mag, und seine Bilder auch nicht ungefragt verwendet sehen möchte, der beugt am besten vor. Rechtsanwalt Martin Steiger empfiehlt: «Wer seine Bilder nicht bei Google Images anzeigen lässt, wird einen wesentlichen Teil der unerwünschten Verwendung verhindern können. Auf der eigenen Online-Präsenz können deutliche Copyright-Hinweise sowie Wasserzeichen helfen.»
Geerk rät ausserdem, die Bilder nicht in zu hoher Auflösung im Internet zu publizieren. Er empfiehlt maximal 960 Pixel für die längere Kante. Dennoch gelangen bei ihm immer wieder Bilder in hoher Auflösung ins Internet. Nämlich wenn seine Kundinnen die Bilder ganz legal auf ihren Websites verwenden.
Unterschiedliche Auswirkungen
Wie stark eine Fotografin vom Bilderdiebstahl betroffen ist, hängt am Ende also auch davon ab welche Art von Bildern sie macht und wie diese von ihrer Kundschaft genutzt werden. «In erster Linie muss sich jeder Fotograf fragen, womit er eigentlich sein Geld verdient. Je nach Art der Tätigkeit hat die unerwünschte Verwendung von Bildern völlig unterschiedliche wirtschaftliche Auswirkungen», hält Martin Steiger fest.
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Ein Blick ins Urheberrecht
In der Schweiz regelt das Urheberrechtsgesetz (URG) den Schutz der Urheberinnen und Urheber von Werken. Mit Werken sind hier «geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben» gemeint und seit April 2020 auch Fotografien ohne individuellen Charakter.
Vor dieser Änderung hatten Gerichte regelmässig die Frage klären müssen, ob ein bestimmtes Foto – zum Beispiel ein einfaches Pressebild – überhaupt unters Urheberrecht fällt. Neu sind jedoch alle Fotografien geschützt, wenn es sich um Abbildungen dreidimensionaler Objekte handelt und sie durch menschliches Zutun entstanden sind. Fotokopien oder Radarbilder beispielsweise erhalten nur unter bestimmten Umständen urheberrechtlichen Schutz (siehe Kommentar unten).
In der Praxis hat sich auf Grund dieser Änderung für viele Fotografierende kaum etwas geändert. «Das Gesetz gibt einem eine theoretische Sicherheit», sagt Jan Geerk. Er hatte zuvor nur ein einziges Mal einen Bildnutzer, der seine Verwendung auf den angeblich nicht individuellen Charakter eines Fotos stützte.
Rechtsanwalt Martin Steiger schreibt: «Für Fotografien, die unter das revidierte URG fallen, hat sich die Frage vom urheberrechtlichen Schutz zur Frage, ob bei Urheberrechtsverletzungen Schadenersatz geschuldet ist, und falls ja, in welcher Höhe, verschoben. Das betrifft allerdings nur jene Fotografen, deren Fotografien unter dem früheren Urheberrecht nicht geschützt waren.»
So oder so liegt gemäss Steiger der wirtschaftliche Wert der meisten Fotografien im tiefen Euro- oder Frankenbereich. «Was der künstlerische Wert einer Fotografie ist, tritt im Urheberrecht in den Hintergrund.»
Das Urheberrecht selbst kann übrigens nicht weitergegeben werden. Verkauft wird stets nur ein Nutzungsrecht. Fotografinnen können also bestimmen, wann, wie und wo ihre Bilder verwendet werden dürfen. Umgekehrt brauchen zum Beispiel Website-Betreiberinnen immer die Erlaubnis des Fotografen, um dessen Bilder zu verwenden.
3 Kommentare zu “Hilfe, Bilderklau!”