Yoshiko Kusano (ganz rechts) feiert mit ihren Kolleginnen und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga die Buchvernissage in der Turnhalle Bern. © Sabine Wunderlin
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«Wir wollen uns als Fotografinnen manifestieren»

31 Fotografinnen und ein*e Fotografix haben sich vor einem Jahr vernetzt, um am 14. Juni 2019 in der ganzen Schweiz den Frauenstreik zu dokumentieren. Aus diesem Bildmaterial hat das Kollektiv nun das Fotobuch «Wir» realisiert. 42mm.ch hat mit der Initiantin, der Berner Fotografin Yoshiko Kusano, über Idee und Entstehung dieses Projekts gesprochen. Und sie auch gefragt, wie sie die Gleichstellung in ihrem Beruf als Fotografin wahrnimmt.

Yoshiko Kusano, die Ausgangslage für dieses Projekt war, dass du fandest, der Frauenstreik müsse von Frauen dokumentiert werden. Warum war das wichtig?

Ich war im Vorfeld für einen Fotoauftrag bei einem Vorbereitungstreffen für diesen Frauenstreik in Biel. Da waren nur Frauen anwesend – ausser zwei Fotografen und einem Kameramann. Ich fand es schade, dass hier keine Fotografinnen hingeschickt wurden. Gleichzeitig war für mich klar, dass ich den Frauenstreik fotografieren werde. Ich habe bereits ähnliche Themen, wie Lohndemos fotografiert. So dachte ich mir, es wäre schön, wenn wir nur Frauen wären, die diesen Frauenstreik fotografieren. Auch ein wenig, um selbst zu demonstrieren: es gibt viele Fotografinnen. Die wenigsten von ihnen sind aber angestellt.

Meine Idee war ausserdem, dass man wirklich diesen ganzen Streik sehen soll. Nicht nur die grossen Teile, sondern auch kleine Anlässe auf dem Land. Wenn man das sichtbar macht, hat das eine grosse Wirkung für den Streik.

Du hast also weitere Fotografinnen gesucht. Mit der Agentur Freshfocus habt ihr die Bilder dieses Tages dann den Medien angeboten. Die Fotos wurden jedoch kaum genutzt…

Ja, es wurde relativ wenig publiziert. Von daher waren wir schon ein bisschen enttäuscht. Eine Zeitung hätte ja zum Beispiel auch die Gelegenheit nutzen können und eine spezielle Ausgabe zum Frauenstreik nur mit Fotos von Frauen machen können.

Es sind ganz viele Bilder zusammengekommen. Sind das die Bilder, die du erwartet hast, oder gab es Überraschungen?

Das ist schwierig zu beantworten. Es war sehr vielfältig. Den ganzen Streik hat man so ja eigentlich nicht erwartet. Meine Erwartungen hat das jedenfalls übertroffen. Es gab so viele tolle Sujets, dass man das zuerst ein wenig ordnen musste für sich selbst.

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Dann kam die Idee, ein Buch zu machen…

Wir haben uns im September ein erstes Mal getroffen. Vorher kannten wir uns noch nicht alle. Wir hatten dann einen wahnsinnig tollen Austausch, so dass wir entschieden: jetzt machen wir ein Buch. Dieses Buch sollte aus unserer Sicht sein. Und wir wollten damit auch uns als Fotografinnen manifestieren.

Für wen ist diese Buch? Ist es ein Zeitdokument, hat es eine Botschaft?

Es hat viele Aspekte. Zum einen ist es ein historisches Dokument, denn eine solche Demonstration hat es in der Schweiz zuvor noch nie gegeben. Andererseits ist es dafür gedacht, dass man den Frauenstreik nicht vergisst. Jetzt, ein Jahr später, sind viele dieser Anliegen immer noch dringend. Und dann ist es auch eine Art Souvenir, um sich selbst zu erinnern, welche Vielfalt, Kraft und Kreativität an diesem Tag da waren.

Gibt es in diesem Buch Motive, die sonst – etwa von Agenturen wie Keystone – nicht festgehalten worden wären,?

Ja, ich denke schon. Wir haben allerdings auch anders gearbeitet als Agenturen. Wenn du für für eine Bildagentur als Newsfotografin arbeitest, musst du möglichst eine ganze Geschichte in ein Bild packen. Diesen Druck hatten wir nicht. Uns war es auch wichtig, auf andere Geschichten zu schauen, die sich möglicherweise nur am Rand abspielen und die nicht spektakulär sind, die als einzelnes Bild vielleicht langweilig wären. In der Fülle erzählt das jedoch eine ganze Geschichte. Ich glaube, in unserem Buch sieht man extrem gut, wie Vielfältig die verschiedenen Menschen an diesem Streik waren.

Verlassen wir den Streik etwas und blicken wir auf deine Erfahrungen als Fotografin. Es gibt in diesem Beruf mehr Männer als Frauen. Wie erlebst du das?

Die Fotografie ist generell eher ein Einzelkämpfer-Metier Ich war eigentlich von Anfang an gewohnt, mit vielen Männern zu arbeiten. Es ist nicht unbedingt ein Nachteil, eine Frau zu sein. Manchmal ist es ein Vorteil gross und breit zu sein. Aber manchmal ist es auch ein Vorteil, nicht so gross und breit zu sein.

Was man sicher sagen kann – wie in andern Jobs auch – dass man als Frau mit Fragen konfrontiert wird, die ein Mann nicht kennt. Als ich Mutter wurde, kam die Frage: Arbeitest du noch oder bist du nur noch Mutter? Kann man dir noch einen Auftrag im Ausland geben? Ich glaube, ein Mann würde nie mit dieser Frage konfrontiert werden. Dann hatte ich auch das Gefühl, dass ich für gewisse Sachen gar nicht mehr gefragt wurde, nachdem ich Mutter geworden bin.

Ich habe sieben Jahre bei Keystone gearbeitet und dann von mir aus aufgehört. Aber die Vereinbarkeit mit der Familie, diesen Job so weiter zu machen, das wäre schwierig geworden. Bei der Agentur den grossen Bildagenturen hat es nicht viele Frauen. Es hat aber Familienväter, die wohl nie zuhause sind.

Und beim Fotografieren selbst, zum Beispiel im Bundeshaus, hast du das gemerkt?

Nein. Ich glaube nicht, dass ich da einen Nachteil hatte. Es ist schon eine männerdominierte Welt, aber ich hatte nie das Gefühl, ich sei nicht akzeptiert. Ich habe auch keine Berührungsängste.

Gehen in den Bildern Perspektiven verloren, wenn nur Männer hinter den Kameras stehen? Gibt es andere Ansichten, wenn Frauen fotografieren?

Ich weiss es nicht. Gerade in der Dokumentarfotografie denke ich, ist es schwierig auszumachen, ob ein Bild von einer Frau oder einem Mann gemacht wurde. Aber du hast natürlich immer eine Reaktion von deinem Gegenüber. Ich habe das Gefühl, das hat viel mit der Person an sich zu tun. An einem Frauenstreik wirst du als Frau aber sicher anders wahrgenommen, als ein Mann.

Muss sich in der Fotografie etwas ändern?

Um nochmal auf das Buch zurück zu kommen: Die Entstehung in Rekordzeit war ein wahnsinnig toller Prozess. Eine Zusammenarbeiten, bei der ich das Gefühl habe, sie ist schon etwas weibliches. Wir haben sehr organisch gearbeitet, obwohl wir uns nicht kannten. Ich habe das Gefühl, das ist eine Stärke von uns Frauen. Wir sollten mehr auf solche Ressourcen zurückgreifen oder so auch eingebunden werden.

Das heisst, ihr müsstet die Vernetzung stärken und diese organische Fähigkeit besser in Organisationen einbinden…

Ja. Ich muss auch sagen, ich bin überzeugt davon, dass sich Männer immer ein bisschen besser verkaufen als Frauen. Frauen hinterfragen sich immer wieder: ist das gut genug? Kann ich ein Interview geben auf Französisch? Das machen Männer viel weniger. Frauen müssen lernen, sich selbstbewusster zu verkaufen. Ich habe in der Fotografie schon oft erlebt, dass einfach der, der sich am besten verkauft, den Job bekommt.

Man könnte aber auch zwischendurch bei der Vergabe von Fotoaufträgen darauf schauen, dass ein gewisser Anteil der Aufträge bewusst an Frauen geht. Das wird noch nicht gemacht, wäre aber wünschenswert.

„Wir – Fotografinnen am Frauen*streik“ ist beim Christoph Merian Verlag erschienen.

www.wir-nous.ch

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