Für sein Projekt «Circus Noir» hat Oliver Stegmann über 15 Jahre in unterschiedlichen Zirkussen das Schauspiel hinter dem Vorhang fotografiert. Das Langzeitprojekt und das daraus entstandene Buch sieht er als Hommage an die Welt der Zirkusse und ihrer Artisten.
Das Bild «Clown in Mirror» hat Stegmann 2019 im Circus GO in Gelterkinden gemacht: Vor dem Gang in die Manege wirft ein Künstler einen prüfenden Blick in den Spiegel, kontrolliert ob alles richtig sitzt.
Man erkennt auf dem Bild sowohl das Profil wie auch das Spiegelbild des Protagonisten. Dass es sich um einen Spiegel respektive dieselbe Person handelt, wird erst auf den zweiten Blick klar. «Dieses Unklare, Ambivalente macht für mich das Bild aus», schreibt der Fotograf. Ihm gefällt, dass es die nachdenkliche, ernste Seite des Clowns zeigt. «Diese verbirgt sich dem Zuschauer, denn sobald der Clown die Manege betritt, zeigt er selbstverständlich sein fröhliches Gesicht.»
Instinktiv und spontan
Nachdem Stegmann zu Beginn seiner Arbeit oft auch die Vorstellung in der Manege fotografiert hat, habe er bald gemerkt, dass ihn das Geschehen hinter den Kulissen magisch anzieht. Also begann er diese Backstage-Welt zu dokumentieren.
«Ich fotografiere immer instinktiv und spontan, ich lasse die Leute nicht posieren», beschreibt er seine Herangehensweise. Er beobachtet, wo etwas Interessantes passieren könnte und positioniert sich entsprechend. «Die Platzverhältnisse sind oft beengt, es werden Kulissen, Gegenstände und teilweise Tiere bewegt, Artisten wärmen sich auf usw. Als Fotograf ist es wichtig, den Betrieb dabei nicht zu behindern.»
Die Artistinnen hätten ihn während des Fotografierens oft gar nicht wahrgenommen, da sie selbst in ihren Vorbereitungen und Gedanken absorbiert seien. «Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es Geduld braucht und auch immer etwas Glück, um einzigartige Momente festhalten zu können. Gute Bilder lassen sich nicht erzwingen.»
Hommage an die Welt der Zirkusse
Sein Projekt und das daraus entstandene Buch sieht Oliver Stegmann als eine Hommage an die Welt der Zirkusse und ihrer Artisten. Auf die Frage, was er während seiner Arbeit über den Zirkus gelernt habe, antwortet der Fotograf: «Wir haben alle Kindheitserinnerungen an den Zirkus: exotische Tiere, waghalsige Artisten und lustige Clowns. Dies ist die Sonnenseite des Zirkus, die sich dem Besucher zeigt. In Wahrheit ist das Zirkusgeschäft wenig glamourös: Die Unternehmen sind mit ständig steigenden Kosten, hohen behördlichen Auflagen, Protesten von Tierschützern konfrontiert und kämpfen um die Gunst der Zuschauer, die heute aus einem riesigen Unterhaltungs- und Veranstaltungsangebot auswählen können.»
«Viele Artisten träumen von einem Engagement bei einem grossen, renommierten Zirkusunternehmen der Welt. Die Konkurrenz unter den Akrobaten ist riesig, nur ganz wenige schaffen es an die Spitze. Sie setzen sich täglich Verletzungsgefahren aus, müssen beim Auf- und Abbau mithelfen, leben oft monatelang getrennt von ihrer Familie und dies alles für wenig Ruhm und Lohn. Die Zirkuswelt ist im Wandel», stellt Stegmann fest. «Wie geht es mit dem traditionellen Wanderzirkus in Zukunft weiter und was heisst dies für die Artisten?», wirft der Fotograf abschliessend die Frage auf. Denn einige von ihm fotografierten Zirkusbetriebe existieren bereits nicht mehr.
Bilder der Serie sind bis am 26. Februar 2022 im La chambre noir, Lausanne zu sehen. Das Buch ist im Verlag Kettler erschienen und kann bei Oliver Stegmann bestellt werden.
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