Aus meiner Sicht

Gedanken zur Aktfotografie

Eigentlich erachte ich mich als offen: Ich habe nichts gegen nackte Haut. Die Formen des menschlichen Körpers finde ich schön und interessant. Gerade im Kontrast zu künstlichen Materialien oder im Wechselspiel mit der Natur.

Dennoch fühle ich mich von der Aktfotografie oft unangenehm berührt. Das hat nichts mit dem nackten Menschen an Sich zu tun. Sondern damit, wie ich das Bild verstehe – oder eben nicht. Etwa, wenn sich eine Frau unnatürlich zweideutig am Strand räkelt. Wenn mit zu offensichtlichen sexuellen Klischees gespielt wird. Wenn ich die immer gleichen Posen sehe, deren Bedeutung ich trotzdem nie durchschaue.

In der Tat: das gleiche ungute Gefühl beschleicht mich bei Bildern mit leicht bekleideten Frauen auf Motorrädern, in verlassenen Fabrikhallen oder im Sekretärinnen-Look. Zementierte Rollenbilder, die von einigen Fotografierenden unter dem Vorwand der Kunst immer wieder abgespult werden.

Das Unbehagen hat weiter mit meiner Vorstellung davon zu tun, wie diese Bilder entstehen: Älterer Fotograf, jüngeres weibliches Model. In vielen Fällen trifft das zu. Und das Ganze wird getoppt von Workshops, bei denen ein Model für mehrere Männer posiert und jeder einmal abdrückt.

Sobald ich allerdings mit Aktfotografinnen und Aktfotografen über ihre Arbeit spreche, verstehe ich meistens Vorgehen, Überlegungen, beabsichtigte Ästhetik. Im Einzelnen verspüre ich oft das Vorhandensein eines grossen Respekts gegenüber Models und menschlichem Körper (zum Beispiel im Interview mit Aktfotografin Judith Geiser vom November 2019). Manchmal sind es aber auch gewisse, unbewusst Konventionen, die heute kritisch wirken und mein Unbehagen auslösen.

Es ist deshalb gut, dass sich ein Verein wie NudeArt.ch für Qualität und Gegenseitige Achtung in der Akt-Fotografie einsetzt. Gerade in diesem Bereich der Fotografie ist es besonders wichtig, sich der Aussage seiner Fotos bewusst zu werden, transparent zu arbeiten und eine klare Haltung einzunehmen. Dann können wunderbare Projekte entstehen, die das überstrapazierte Label ‘Art’ im Namen rechtfertigen. Noch geschieht das aus meiner Sicht allerdings zu wenig.

0 Kommentare zu “Gedanken zur Aktfotografie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert